1. Einleitung
2. Glühkathoden im Laser
3. Delta T einer Kathode
4. Prozessierung von Kathoden
5. Eigene Messungen an Kathoden
1. Einleitung
Als die ersten Argonlaser gebaut wurden, zeigte es sich sehr schnell, daß diese Laser hohe Leistungen produzieren konnten. Anders als andere Gaslaser wie zum Beispiel ein HeNe, der schon bei relativ geringen Strömen in die Sättigung geht (dann ergibt eine weitere Erhöhung des Stromes keine Leistungserhöhung mehr), steigt bei einem Argonlaser die Leistung mit dem Quadrat des Plasmastromes an. Deshalb begann man die Röhren relativ bald unter sehr harten Bedingungen zu betrieben. Eine frühe Argonröhre mit ihren auf Saphirstäbe aufgefädelten Graphitscheiben die im Betrieb weißglühend wurden und sich durch Abstrahlung durch die Wand eines Quarzrohres kühlten, muß ein beeindruckender Anblick gewesen sein.
Natürlich muß bei den hohen Plasmaströmen die Kathode auch in der Lage sein, die entsprechende Menge Elektronen zur Erzeugung der Ionen bereitzustellen. Schon bei 10A Röhrenstrom müssen pro Sekunde mindestens 6*10^19 Elektronen von der Kathode produziert werden.
Um solche Mengen zu produzieren gibt es zwei Wege. Der erste bedeutet eine Vergrößerung der Kathodenfläche. Diesen Weg ist man beim HeNe-Laser gegangen, und der markante silberne Kathodenzylinder ist denn auch das größte Bauteil in so einer Röhre. In einer Ionenröhre liegen die Ströme aber um einen Faktor 1000 höher, so daß eine Blechkathode wirklich riesig sein müßte.
Eine Glühkathode bietet den zweiten Weg. Schon Edison hatte kurz nach der Erfindung der Glühbirne bemerkt, daß der glühende Metallfaden im Vakuum von einer dichten Wolke von Elektronen umgeben ist. Dieser glühelektrische Effekt wurde schon sehr bald für den Bau von Radioröhren genutzt. Aus einer glühenden Kathode treten mit steigender Temperatur exponentiell zunehmende Mengen von Elektronen aus. Leider läßt die hohe Temperatur auch das Metall langsam abdampfen, was wir alle noch zu gut von der kurzen Lebensdauer der Glühlampen kennen: irgendwann bricht der Faden an einer dünn gewordenen Stelle.
Man kann den Glühkathoden auf andere Weise nachhelfen. Wolfram eignet sich wegen seines hohen Schnelzpunktes für den Glühfaden, aber unedle Metalle wie Barium geben Elektronen viel leichter als Wofram ab. Wolfram mit einer Schicht Bariumoxid und Barium muß nicht so stark glühen und gibt trotzdem große Menge Elektronen ab.
Zur Zeit, als die Argonlaser aufkamen, gab es solche Kathoden hoher Leistung schon als Standardbauteil: in den Kathoden der großen Senderöhren für den Rundfunk. Sie wurden für die Laser beinahe unverändert übernommen.
2. Glühkathoden im Laser
Anders als das Hochvakuum in einer Senderöhre ist eine Laserröhre kein besonders gastlicher Ort für eine oxidbeschichtete Wolframkathode. Viele Gasverunreinigungen wie Sauerstoff, Stickstoff oder Wasserstoff reagieren mit dem unedlen Barium und "vergiften" so die Kathode. Ein ernsteres Problem sind die positiven Ionen des Plasmas, die mit hoher Geschwindigkeit von der negativen Kathode angezogen werden. Ein Argonion ist rund 80000mal schwerer als ein Elektron. Wenn so ein Ion die Oberfläche der Kathode erreicht, kann man sich das so ungefähr vorstellen wie eine Bowlingkugel, die man in eine Badewanne voller Erbsen krachen läßt: da fliegen viele Erbsen in der Gegend herum. Leider nicht nur Erbsen, die in diesem Beispiel den Elektronen entsprechen, denn das unterstützt die Produktion von Elektronen ja noch. Es werden auch die Atome der Oxidbeschichtung und sogar Wolframatome herausgeschlagen. Diesen Vorgang bezeichnet man als Sputtern.
Das gesputterte Material schadet dem Laser sehr. Zum einen schlägt es sich an vielen Orten nieder, an denen es den Betrieb der Röhre behindert, zum Beispiel optischen Komponenten wie den Brwesterfenstern oder Spiegeln. Metallniederschlag in den Gasrückflußbohrungen können diese verstopfen oder dafür sorgen, daß der Plasmabogen lieber diesen Weg nimmt statt durch die Hauptkapillare. Zum zweiten wird unter dem gesputterten Material Gas begraben, das dann natürlich nicht mehr zum Lasern zur Verfügung steht und die Röhre frühzeitig altern läßt.
Es ist deshalb sehr wesentlich, daß die Elektronenwolke um die Kathode dicht genug ist, um möglichst alle ankommenden Ionen frühzeitig abzufangen und zu neutralisieren. Da der Elektronenausstoß aber so schnell mit der Temperatur steigt, ist es so wichtig, die Kathode nicht zu kühl zu betreiben. Bei einigen Lasern mit Glaskolben läßt sich das direkt sichtbar machen. Das violette Glimmen des Argonplasmas geht nicht bis ganz auf die Oberfläche der Kathode, sondern um die Glühwendel liegt ein dünner nichtleuchtender Film. Reduziert man die Kathodenheizung, wird dieser Film immer dünner, bis das violette Plasma die Wendel erreicht. Ich habe das bei einer Lasos-Röhre mal ausprobiert, das ist hier schon der Fall, wenn die Heizspannung nur von 2.25V auf 2.0V fällt!
Bei einer Röhre mit querliegender Wendel läßt sich der Film sogar photographieren:
http://www.laserfreak.net/forum/viewtop ... 56#p227031 (2. Bild von oben)
Aber auch eine zu hohe Heizemperatur schadet der Röhre. Barium ist ein eher flüchtiges Metall, daß bei hoher Temperatur verdampft. Es wird regelrecht aus der Oxidschicht ausgekocht, so daß die Kathode ihre Fähigkeit zur Elektronenproduktion schließlich verliert. Auch hier ist die Folge am Ende also wieder Sputtern.
Folglich gibt es einen optimalen Temperaturpunkt für eine Oxidkathode, der bei etwa 1050 Grad Celsius liegt. Hier halten sich Sputtern und Verdampfen die Waage.
Bei sehr niedrigen Temperaturen um die 600 Grad hat das Wolfram noch eine böse Überraschung zu liefern. Wolfram ändert bei Temperaturerhöhung mehrfach seine Kristallstruktur. Ist es sonst eher hart und spröde, wird es um 600 Grad herum butterweich. Eine Glühwendel kann bei dieser Temperatur anfangen durchzuhängen (engl. to sag), im Extremfall bis in den Strahlengang hinein. Ein anderes Problem entsteht, wenn sich durch die Verformung benachbarte Windungen der Spirale berühren und damit kurzschließen. Durch Verformung und daraus resultierende Spannungen kann die Wendel sogar brechen.
Bild einer verknoteten Kathode:
http://www.laserfreak.net/forum/viewtop ... 24&t=51636 (Bild in der 7.Antwort von mir)
3. Delta T einer Kathode
Ionenröhrenkathoden haben eine ganz merkwürdige Eigenschaft. Wer beim Anheizen eines Lasers ein Amperemeter im Heizkreis hat, das nur den Heiz(wechsel)strom mißt, bemerkt beim Zünden der Röhre, daß der Heizstrom plötzlich um 1.5-3A ansteigt, wenn die Kathode noch gesund ist. Man nennt das den "Delta T" Effekt. (Er hat nichts damit zu tun, daß der Anodengleichstrom durch den Kathodenkreis zurückfließt - es wird nur der reine Wechselstromanteil gemessen.) Läßt sich ganz einfach erklären: solange die Kathode leerläuft, ist sie mit ihrer Elektronenwolke im Gleichgewicht. Elektronen werden ausgestoßen und von der Kathode auch wieder aufgenommen. Wenn die Entladung zündet, fangen die ankommenden Ionen aber Elektronen weg, folglich nimmt die Kathode weniger wieder auf, verliert also Energie. Sie kühlt sich um eine Winzigkeit ab, der Widerstand fällt (siehe Abschnitt 5) und der Strom steigt. Kommen bei hohem Anodenstrom sehr viele Ionen an, reicht die Kapazität der Kathode u.U. nicht mehr aus um alle zu neutralisieren. Mehr und mehr Ionen kommen durch und schlagen in die Kathode, was sie wiederum mehr aufheizt.
Die Messung des Delta T ist also ein wichtiges Hilfsmittel, um den Zustand einer Kathode zu beurteilen. Bei größeren Lasern ist leicht zu beobachten, wie es kleiner wird, je weiter man den Anodenstrom aufdreht. Bei alten und verbrauchten Röhren kann man so ermitteln, wie weit man sie überhaupt noch belasten kann. Delta T darf keinesfalls negativ werden (d.h., der Heizstrom kleiner als im Leerlauf).
4. Prozessierung von Kathoden
Oxidkathoden sind nicht so einfach herzustellen. Der genaue Prozeß ist Herstellergeheimnis, aber da es Radioröhren schon sehr lange gibt, sind die Grundzüge bekannt.
Wolfram wird meistens nicht massiv verarbeitet, sondern die Teile aus Pulver gesintert. Die rohe Kathode wird dann an spezielle Kontaktstifte geschweißt (meistens sind auch die aus einem hochschmelzenden Metall wie Molybdän). Danach wird die Wolframwendel mit einem Lack, dem etwas Bariumnitrat zugesetzt ist, überzogen. Nach dem Zuschweißen der Röhre wird diese bis zum Hochvakuum ausgepumpt (etwa 10^-6 mBar, man braucht also schon Diffusionspumpe/Turbopumpe und eine Kühlfalle - nichts für Newbies!). Da immer noch große Mengen Luft in der porösen gesinterten Wolframstruktur eingeschlossen sind, wird die Kathode jetzt langsam erwärmt und immer weiter abgepumpt. Bei einer Temperatur von über 600 Grad verbrennt Wolfram, wenn Sauerstoff anwesend ist, man kann so hoch also erst gehen, wenn die Luft ausgeheizt ist.
Sind alle Luftreste ausgeheizt, wird die Kathode nach und nach auf volle Temperatur gebracht. Kurzzeitig wird die Temperatur sogar noch weiter erhöht. Jetzt verbrennt der Lack auf der Wendel mit dem Nitrat, und es bleibt Bariumoxid und etwas metallisches Barium zurück. Die nächsten Arbeitsschritte bei der Herstellung der Röhre widmen sich dann der Reinigung der Gasfüllung, dem "Einbrennen", und am Schluß wird der neue Laser von der Pumpstation "abgequetscht".
Wenn jemals wieder Luft in eine solche Röhre eindringt, zerstört das sofort die Kathode. Wenn das im Betrieb mit heißer Kathode passiert, ist das der SuperGAU, das Wolfram verbrennt irreparabel. Passiert es mit kalter Kathode, ist es im Prinzip möglich, die gleichen Schritte noch einmal durchzuführen, jedoch wird das unedle Barium an der Luft reagieren. So richtig die alte wird so eine Kathode nie wieder. Deshalb werden Röhren, die bei einem der professionellen Wiederbefüller landen, während der Arbeiten mit Argon gefüllt, damit die Luft von der Kathode ferngehalten wird.
5. Eigene Messungen an Kathoden
Welcher ernsthafte Ionenlaserliebhaber kennt das Problem nicht: endlich eine Röhre in der Elektrobucht ersteigert. Doch hat das Schätzchen entweder überhaupt keins oder nur eine kryptische Buchstaben- und Zahlenkombination auf dem Typenschild. Tage- und Nächtelange Sitzungen mit Tante Google bringen keine neuen Erkenntnisse. Was also tun?
Es gibt eine Möglichkeit, die grundlegenden Werte einer Kathode nur durch Messungen herauszufinden. Üblicherweise haben die Laserröhren aus Kopierern oder Augenbehandlungsgeräten einfachere Röhren, die herstellerseitig nicht unbedingt zum Wiederfüllen gedacht waren und die guten alten Oxidkathoden haben.
Grundsätzlich kennt man dann die zu erwartende Temperatur von knapp über 1000 Grad und damit die Glühfarbe: bei Tageslicht ein sattes Orange (eben wie eine reife Orange), in der Dämmerung sieht das wegen der weiter geöffneten Pupille des Auges dann schon gerade so goldgelb aus. Das sollte man allerdings schon mal gesehen haben, Erfahrung ist hier alles.
Wolfram hat noch eine Eigenschaft, durch die es zu seinem eigenen Thermometer wird. Der spezifische Widerstand von Wolfram ändert sich sehr stark mit der Temperatur. Bei einer Differenz von 1000 Grad muß man nicht nur die bekannte lineare Formel dafür benutzen, sondern den Koeffizienten 2. Ordnung dazunehmen:
R(T) = R0 * ( 1 + alpha * T + beta * T^2 ),
wobei R(T) der Widerstand bei der Temperaturerhöhung um T Grad ist und R0 der Widerstand bei Raumtemperatur. Die Konstanten:
alpha = 4.1 * 10^-3 1/K, beta = 1.0 * 10^-6 1/K^2
Der Term in der Klammer läßt sich für T=1000°K ausrechnen, es kommt ungefähr 6 (sechs) heraus. Bei einer Temperaturerhöhung um 1000 Grad versechsfacht sich also der Widerstand der Kathode. Das läßt sich messen.
Als erstes mißt man den Kaltwiderstand der Kathode. Mit einem Ohmmeter geht das nicht, weil der Widerstand fast Null ist. Man kann aber das Ohmsche Gesetz nutzen und einen genau definerten kleinen Strom (soll ja nicht warmwerden) hindurchschicken und den Spannungsabfall messen. Ersteres geht mit einem Laserdiodennetzteil, und Millivolt messen kann man mit einem geeigneten Multimeter. Wer Spaß dran hat, kann das mal mit einer ALC60-Röhre versuchen und mißt bei einem "Dioden"-Strom von 1A etwa 20mV (variiert von Röhre zu Röhre leicht). Wichtig: direkt an der Röhre messen, sonst mißt man den Spannungsabfall an den Zuleitungsdrähten mit!
Also: 20 MilliOhm Widerstand der Kathode bei Zimmertemperatur. Rechnen wir die bekannten Werte kurz mal nach: im Betrieb soll ein ALC60 mit 3V/25A geheizt werden. Wieder Ohmsches Gesetz: das sind 0.120 Ohm, rund 6mal soviel wie die gemessenen 20 Milliohm bei Zimmertemperatur. Quod erad demonstrandum.
Nach der Messung des Kaltwiderstandes muß man dann bei einer unbekannten Röhre nur noch den Wert mal 6 nehmen, dann kennt man den Widerstand, den die Wolfram-Kathode bei knapp über 1000 Grad haben sollte. Die Genaugkeit der Spannungsmessung beim Kaltwiderstand ist natürlich sehr wichtig, denn der Fehler versechsfacht sich.
Wenn man jetzt einen geeigneten Trafo an die Kathode anschließt und die Primärseite des Trafos über einen Spartrafo oder notfalls auch Dimmer Schritt für Schritt hochregelt, kann man immer Strom und Spannung messen (Spannung wieder nur direkt an der Röhre messen), solange bis der richtige Wert erreicht ist.
Ich mache solche Messungen bei ALLEN Röhren. Selbst bei denen, die mit Netzteil kommen. Die Messung mag nicht ganz genau sein, besser als Blindflug ist sie allemal. Es ist nicht immer gesagt, daß Trafo, Netzteil und Röhre original zusammengehören. Manche Verkäufer haben wenig Plan, dafür viel Geschäftssinn.
Der niedrige Kaltwiderstand der Kathode sorgt übrigens auch dafür, daß die Trafos beim Einschalten so mörderisch brummen. Ich habe meinen auf einen 300VA Ringkerntrafo selbst gewickelt. Beim Einschalten eines ALC60 geht der Heizstrom anfangs locker über 50A. Großzügigkeit beim Trafokern lohnt sich.

~medusa.